Zeitzeugenarchiv der Minsker Geschichtswerkstatt

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Gutmann Ludwig

Gutmann Ludwig

Gruppe 
Rassistisch Verfolgte (Jude/Jüdin)
Herkunftsland 
Österreich
Geburtsort 
Schwanfeld
Beruf 
Vieheinkäufer
Deportationsdatum 
1941 November 24
Unterbringung/Inhaftierung 
Lager Maly Trostinec
Schicksal 
Flucht aus dem Lager Maly Trostinec am 26.06.1944
Berichtsart 
Familiengeschichte

Ludwig Gutmann wurde 25.06.1902 in Schwanfeld geboren (Bundesarchiv, Akte B162/ 1681, S. 1). Dort besaßen die Gutmanns seit Generationen ein Viehandelsgeschäft, dessen Mitinhaber er seit 1929 war (o.V.: Spätheimkehrer. Es mag eine Härte sein, in: Spiegel, 1. Mai 1957, S. 27-29).

Am 09.11.1938 wurde er ins Konzentrationslager Dachau eingewiesen, wo er aber nach 12 Tagen wieder entlassen wurde. Knapp drei Jahre später, am 24.11.1941, wurde er, seine Frau und sein 10-jähriger Sohn sowie zahlreiche weitere jüdische Männer, Frauen und Kinder nach Jungfernhof deportiert. Seine Frau und sein Sohn wurden dort am 26.03.1942 erschossen. Am 8. Mai 1942 mussten Ludwig Gutmann aufgrund seiner Fachkenntnisse im Viehhandelsgeschäft gemeinsam mit dem Häftling Theodor Döllemann einen Viehtransport von Jungfernhof nach Minsk durchführen. Sie waren die ersten beiden Juden, die in Maly Trostinec ankamen. Zu dieser Zeit befand sich die Infrastruktur des Lagers noch im Aufbauprozess. Im Jahr 1946 gab er an, am 26.06.1944 die Möglichkeit zur Flucht ergriffen zu haben. Noch von einem nicht weit vom Lager entfernten Kornfeld aus sah er, dass die Baracke Maly Trostinec in Brand gesteckt wurde (Bundesarchiv, Akte B162/ 1681, Ludwig Gutmann, S. 1-3).

Noch auf seiner Flucht wurde er von sowjetischen Truppen aufgegriffen und wegen „Spionage“ und als „allgemein gefährliches Individuum“ verurteilt. Weitere 11 Jahre, bis zum 04.08.1956, wurde er in verschiedenen sowjetischen Strafanstalten interniert (Ebenda, S. 1-3). Nach seiner Freilassung und bereits davor versuchten er und Verwandte von ihm, das arisierte Eigentum der Gutmanns wiederzubekommen. Gemäß dem Wiedergutmachungsgesetz hätte der Anspruch aber bis zum 31.12.1949 angemeldet werden müssen. Dies war Ludwig Gutmann jedoch nicht möglich, da er seinen Anspruch aus einer sowjetischen Haftanstalt nicht rechtens erheben konnte. Auch der Versuch seiner in Israel und in den USA lebenden Verwandten noch vor Ablauf der Frist des Wiedergutmachungsgesetzes das Familiengut zugesprochen zubekommen, verblieb erfolglos. Nach seiner Rückkehr 1956 nach Schwanfeld kontaktierte Ludwig Gutmann das Bundespräsidialamt, schilderte die Problematik und bat um Beistand – doch auch dies war vergebens. Seit 1956 betreibt Ludwig Gutmann in Würzburg ein Viehgeschäft (o.V.: Spätheimkehrer. Es mag eine Härte sein, in: Spiegel, 1. Mai 1957, S. 27-29).

Erstellt von Nazim Diehl und Aliaksandr Dalhouski