Jacob Blanari, geb. am 27.8.1880 in Berlin, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Theophile Blanari, geb. Weile, geb. am 19.7.1880 in Prechlau (Przechlewo/Polen), deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Weidenallee 10
Jacob Blanari leitete seit 1935 die Lehrwerkstatt für Tischler in der Weidenallee 10a, die im März 1934 von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde eingerichtet worden war. Dort gab es auch noch eine Lehrwerkstatt für Schlosser. In den Werkstätten wurden jüdische Jugendliche auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereitet. Da Jacob Blanari sich beruflich für die Hachschara von jüdischen Jugendlichen und ihre Reise nach Palästina engagierte, lag es für die Familie sicher nahe, die Kinder Blanari ihre Zukunft außerhalb Deutschlands suchen zu lassen. Die Eltern blieben, vielleicht hatten sie nicht mehr den Mut, einen Neuanfang in einem anderen Teil der Welt zu versuchen.
Jacob Blanari stammte aus Berlin. Seine Eltern waren Hermann Blanari und Anna, geb. Näkler. Seine Ehefrau Theophila stammte aus Westpreußen. Der Kreis Schlochau war nach der Ersten Polnischen Teilung 1772 preußisch geworden. 1871 lebten 55 Juden in Prechlau, danach nahm ihre Zahl ab. Das Ehepaar Blanari hatte vier Kinder, Hermann (geb. 1905), Erwin (geb. 1906), Cäcilie (geb. 1908, gest. 1925) und Elfriede (geb. 1915, gest. 2009). Hermann und Erwin wurden in Berlin geboren, Cäcilie in Finsterwalde und Elfriede in Altona. Was bedeutet, dass die Familie erst nach 1908 nach Altona bzw. Hamburg gezogen sein dürfte.
In der Zeit vor 1933 hatte Jacob Blanari versucht, mit mehreren Geschäften und Fabrikationsräumen für Haushaltsgegenstände seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 1919 soll er ein Geschäftslokal im Alten Steinweg 61 III für eine Möbeltischlerei und eine Beiz- und Polieranstalt angemietet haben. Im Adressbuch 1920 und den Folgejahren findet sich tatsächlich ein Eintrag: Blanari, J., Möbelfabrik, Alter Steinweg 61, Hinterhaus, Verkaufsräume Schaarsteinweg 6, Wohnung: Steinweg Passage 1. 1920 meldete er ein Gewerbe für Manufakturwaren unter der Adresse Hütten 123 an. In Wandsbek soll er laut Wiedergutmachungsakte ein Geschäft für Seifen- und Parfümeriewaren geführt haben, und in Bergedorf bis 1932 ein Möbelgeschäft in der Chrysanderstraße 3–9. Die Familie wohnte angeblich eine Zeit lang in Wandsbek, und Jacob Blanari soll dort auch Betriebsräume zur Herstellung von Haushaltsartikeln wie Waschbretter, Klammern usw. gemietet gehabt haben. Diese Angaben lassen sich aber anhand der Adressbücher nicht verifizieren.
1926 taucht im Hamburger Adressbuch die Tornquiststraße 23 als Wohnadresse auf und Anfang der 1930er Jahre Alsenstraße 13 und Eppendorfer Weg 73. Bevor Jacob Blanari seine Tätigkeit in der Lehrwerkstatt aufnahm, scheint die Familie ein finanziell sehr prekäres Leben geführt zu haben, verbunden mit immer neuen Versuchen, den Lebensunterhalt zu verdienen, und mit häufigen Umzügen. Die Möbelfabrikation vom Anfang der 1920er Jahre ließ sich vermutlich in der Zeit von Inflation und Wirtschaftskrise nicht fortführen. Bis zu seiner Deportation arbeitete Jacob Blanari in der Lehrwerkstatt. Das Ehepaar erhielt den Befehl zur zweiten großen Deportation nach Minsk, wo sich seine Spur verliert. Die Deportation der Blanaris bedeutete auch das Ende der jüdischen Tischler-Lehrwerkstatt in der Weidenallee. Danach zog der Schauspieler und Tischler Fritz Benscher mit den Materialien der Werkstatt in das Kultusgebäude des jüdischen Friedhofs in Stellingen-Langenfelde, wo er die Werkstatt weiter betrieb und Särge herstellte, die von der Gemeinde benötigt wurden.
Die Kinder Hermann, Erwin und Elfriede Blanari überlebten in der Emigration. Hermann Blanari emigrierte nach Palästina und kehrte 1953 nach Hamburg zurück. Erwin gelangte mit seiner Frau Olga, geb. Benjamin, und seinem 1935 geborenen Sohn Ernst im August 1938 nach Kolumbien. 1942 wurde dort der zweite Sohn Teodor Benjamin Blanari geboren. Elfriede wanderte 1934 über Jugoslawien nach Palästina aus. Sie erhielt eine landwirtschaftliche Ausbildung, und zwar auf einem Gut des jüdischen Barons Gutmann, das dieser dem Hechalutz zur Verfügung gestellt hatte und das sich in der Nähe von Subotica befand. In den 1950er Jahren kehrte sie für kurze Zeit nach Deutschland zurück und ging dann in die USA.
© Susanne Lohmeyer
Diese Biographie entstand im Rahmen des Projektes „Stolpersteine in Hamburg – biographische Spurensuche“ unter Leitung von Dr. Rita Bake (Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg) und Dr. Beate Meyer (Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg).