Das Vorkriegsleben
Die Eltern von Alla Michajlovna Gončarenko – Maria Vikent'evna (geb. 1917) und Michail Grigor'evič (geb. 1917) – wohnten vor dem Krieg im Dorf Degtjarevka. Sie waren da im örtlichen Kolchos tätig: der Vater als Traktorist, die Mutter als Hilfsarbeiterin. In der Freizeit nähte Maria Vikent'evna Kleidung, sie galt in ihrem Ort als gute Schneiderin. Alla Michajlovna betont, dass ihre Eltern aktive Komsomolzen waren, sie waren als erste, die dieser Organisation beitraten. 1936 kam die erste Tochter Alla zur Welt, 1939 - Tatjana. Michail Grigor'evič nahm noch vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion an dem sowjetisch-finnischen Krieg teil.
Der Krieg
Einen markanten Eindruck in der Anfangsperiode der deutschen Besatzung hinterließ bei Alla Michajlovna die Erinnerung ihrer Mutter an die Leichenvergrabung der erschossenen Juden.
Maria Vikent'evna nahm aktiv an dem Widerstand gegen die Besatzungsmacht teil: sie verbarg die verletzten Soldaten und verhalf ihnen zu den Partisanen, nähte Tarnmäntel, brachte Waffen von Partisanen zu Widerstandskämpfern nach Minsk. Nachdem 1944 ihre ältere Tochter in den Wald gegangen war und sich dort zusammen mit Kühen versteckt hatte, waren sie und eine Lehrerin aus dem Dorf Sucharevo verhaftet und nach Minsk gebracht. Alla Michajlovna beobachtete aus dem Wald, wie Polizisten ihre Mutter mit einer Fuhre begleiteten. Nach der Meinung von Alla Michajlovna wurde die Mutter von deren besten Freundin verraten. Später erfuhr Allas Tante - die Schwester von ihrer Mutter - von der befreiten Lehrerin (sie wurde von ihrer Mutter gegen Gold losgekauft), dass sich Maria Vikent'evna in der Zelle 14 im Gefängnis auf der Volodarskogo-Str. in Minsk befand. Der Tante von Alla gelang es sogar, die Erlaubnis zu einem Besuch und einem Paket für Maria einzuholen. Ungefähr eine Woche vor der Befreiung besuchte sie das Gefängnis, es gab da aber keine Häftlinge mehr. Was sie herauskriegen konnte, war nur die Information, dass sie alle nach Trostenez gebracht worden waren.
Das Nachkriegsleben
Wenn Alla Michajlovna eine Minsker Schule lernte, besuchte sie ungefähr 1945 mit einer Schulexkursion das Territorium des ehemaligen Lagers Trostenez. Sie wurde von einer jüdischen Lehrerin organisiert, die ihre Verwandten in Minsker Ghetto verloren hatte. Alla Michajlovna erlebte auf der Stelle einer verbrannten Scheune einen starken hysterischen Anfall, sie versuchte ihre Mutter zu suchen. Die Lehrerin gab sich viel Mühe, sie zu beruhigen.
Erst 1946 kam der Vater von Alla Michajlovna vom Militärdienst zurück. Er fand die Stelle eines Fahrers in Minsk und nachdem er seine eigene Wohnung erhalten hatte, nahm er seine beiden Töchter zu sich. Der Vater unternahm aber keine Versuche, die Todesumstände seiner Frau zu klären und heiratete bald eine neue Frau, die im Krieg ihre Familie verloren hatte.
Das Thema „Trostenez“ wurde in der Nachkriegszeit in der Familie von Alla Gončarenko kaum diskutiert. Alla Michajlovna hatte persönlich immer schreckliche Erinnerungen an den Besuch von Trostenez während einer Schulexkursion 1945. Erst 2013/2014 besuchte sie zusammen mit ihren Enkeln den Ort, wo ihre Mutter verbrannt wurde.
Erstellt von den Mitarbeitern der Geschichtswerkstatt Minsk